Ein Projekt der
WestAllianz München
Gefördert durch das Bayerische Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten und den Europäischen Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums (ELER)
Maisach, Kneißl Keller
Mathias Kneißl (12.5.1875 – 21.2.1902)
„Eine Zuchthauspflanze“ nannte ihn sein Lehrer – Mathias Kneißls Weg war vorgezeichnet. Er wuchs im Dachauer Land unter schwierigen Familienverhältnissen auf. Er war sechzehn, als er für mehrere Jahre ins Zuchthaus musste: Sein Bruder Alois hatte ihn in eine Schießerei hineingezogen. Kneißls Versuch, nach seiner Haftentlassung ein neues Leben anzufangen, scheiterte an den Vorurteilen der Bevölkerung. Nach verhängnisvollen Schüssen auf zwei Gendarmen wurde er zum Tode verurteilt. Seine Hinrichtung ist bis heute umstritten und stilisierte ihn zum Volkshelden.
1875 – 1886 Geburt und Kindheitsjahre in Unterweikertshofen
Mathias Kneißl ist das älteste von fünf Geschwistern. Sein Vater Mathias ist gelernter Müller; er stammt aus einer angesehenen Bauernfamilie nahe Hilgertshausen. Der Großvater von Mutter Therese war aus Italien nach Unterweikertshofen gekommen und hatte einen Kramerladen eröffnet. Thereses Bruder Johann Pascolini war 1871 bei einem Einbruchsversuch gestorben und hatte damit die Familie in Verruf gebracht.
Nach ihrer Hochzeit übernehmen Mathias und Therese Kneißl das Wirtshaus der Pascolinis. Therese ist eine leidenschaftliche Schützin und geht mit ihrem Mann heimlich auf die Jagd. Schon früh bringt sie Mathias und dem jüngeren Bruder Alois das Schießen bei. Bald entwickelt sich das Wirtshaus zur Einkehr für Wilderer und Hehler.
Mathias ist musikalisch begabt und unterhält die Gäste mit seiner Ziach. Sein Lehrer schreibt: „Versteht jetzt schon die Harmonika besser zu handhaben als das Lesebuch und spielt zur Belustigung … der Großen auf.“ Er empfiehlt eine Einweisung in eine Besserungsanstalt und hofft: „… vielleicht gelänge es noch, ihn zu retten“.
1886 Umzug in die Schachenmühle
Die Kneißls verkaufen ihr Wirtshaus und erwerben die Schachenmühle bei Sulzemoos. In der abgelegenen Mühle wachsen die Kneißl-Kinder recht wild auf. Der Sulzemooser Pfarrer nennt sie abfällig „Pascolinis“. Alois bezeichnet er als „halb blödsinnig“, Mathias muss ein zusätzliches Jahr in die Sonntagsschule gehen. Im März 1891 kommt er erstmals für drei Tage in Arrest: Er hatte die Sonntagsschule geschwänzt und wurde stattdessen beim Tanzen erwischt.
1892 Tod des Vaters und Verhaftung der Mutter
Die Gendarmerie beobachtet die Kneißls genau. Denn auch die Schachenmühle gilt als Umschlagplatz für Diebesgut und Wildererware. Im Sommer 1892 wird die Wallfahrtskirche Herrgottsruh geplündert. Schnell führen die Spuren in die Schachenmühle. Als die Gendarmen Vater Mathias festnehmen wollen, flieht er. Dabei verletzt er sich schwer; er stirbt auf dem Weg ins Dachauer Gefängnis. Kurz danach wird auch Therese Kneißl verhaftet, die Kinder bleiben sich selbst überlassen. Alois gerät völlig auf die schiefe Bahn. Zusammen mit zwei älteren Kumpanen zieht er stehlend durch die Gegend und bedroht andere mit der Pistole des Vaters. Schließlich schießt er auf die beiden Gendarmen, die ihn und die anderen in der Schachenmühle verhaften sollten.
1893 Verurteilung zu mehr als fünf Jahren Zuchthaus
Auch Mathias wird in den Schusswechsel mit hineingezogen. Das Landgericht München II verurteilt Alois zu 14 Jahren Haft wegen versuchten Mordes. Kneißl muss wegen versuchten Totschlags und anderer Vergehen für fünf Jahre und neun Monate ins Gefängnis. Dabei hatte Alois vor Gericht ausgesagt, dass Mathias nicht geschossen habe. Vergeblich reicht Therese Kneißl Gnadengesuche um eine frühere Haftentlassung ein. Alois Kneißl stirbt in der Haft, Mathias macht im Zuchthaus Amberg eine Schreinerlehre. Ein Münchner Verwandter hätte ihm Arbeit angeboten, trotzdem muss er seine Strafe absitzen bis zum letzten Tag.
1899 Haftentlassung und Versuch eines Neuanfangs
Mit 23 Jahren wird Kneißl aus der Haft entlassen, gesundheitlich zerrüttet. Er zieht zunächst zu seiner Mutter und den beiden Schwestern, die inzwischen in München leben. Als er wieder gesund ist, muss er München verlassen. Denn die Stadt entzieht dem Vorbestraften für zwei Jahre das Aufenthaltsrecht. Schließlich findet er in einer Schreinerei in Nussdorf Arbeit. Er will nach Amerika auswandern und möchte Geld verdienen für die Überfahrt. Doch schon nach sieben Monaten muss ihn Schreinermeister Christoph wieder entlassen: Die anderen Gesellen hatten ihn dazu gedrängt, denn inzwischen war Kneißls Vergangenheit als „Zuchthäusler“ bekannt geworden. Misstrauen und Vorurteile gegen ihn machen sich breit. Sein schlechter Ruf eilt ihm nun stets voraus und er findet auch anderswo kaum noch Arbeit.
1900 Raubüberfall in der Hallertau
Kneißl lässt sich von seinem Cousin Erhard Holzleitner zu einem Einbruch bei einem Hopfenbauern überreden. Sie versuchen, die erbeuteten Pfandbriefe im Wert von 2.500 Mark in Oberschweinbach zu verkaufen. Dabei werden sie als Räuber enttarnt und sie müssen fliehen. Holzleitner wird gefasst und verrät Kneißl. Ab 11. November wird er steckbrieflich gesucht, 400 Mark Belohnung sind auf ihn ausgesetzt. Er versteckt sich im Dachauer Land. Wiederholt führt er die Gendarmen vor, die nach ihm suchen. Das bringt ihm die Sympathie der Landbevölkerung ein, die der Obrigkeit oft misstrauisch gegenübersteht.
30.11.1900 Der tödliche Schusswechsel von Irchenbrunn
Am 30. November sucht Kneißl Unterschlupf bei Michael Rieger, dem „Flecklbauern“ in Irchenbrunn. Er war ein alter Bekannter seines Vaters. Der aber schickt heimlich einen Knecht zur Gendarmerie nach Altomünster. Dem herbeigeeilten Stationskommandanten schießt Kneißl ins Bein, um fliehen zu können. Er verblutet noch vor Ort. Der zweite Gendarm wird vermutlich von einem Querschläger im Unterschenkel getroffen; sein Bein muss amputiert werden, auch er stirbt.
12.1900 Fieberhafte Suche nach Kneißl
Nun wird intensiv nach Kneißl gesucht: Mobile Gendarmeriestationen werden gebildet und verdeckte Ermittler eingesetzt, Streifen durchkämmen systematisch die Gegend. Die Belohnung auf Kneißls Kopf wird auf 1.000 Mark erhöht eine enorme Summe, wenn man bedenkt, dass ein Arbeiter in der Dachauer Papierfabrik damals um die 320 Mark im Jahr verdiente. Schnell erweckt die Kneißl-Suche überregionales Interesse. Hohn und Spott machen sich breit, weil die Fahndung trotz des enormen Aufwands erfolglos bleibt. Die Gendarmen beklagen sich über die mangelnde Unterstützung bei der Verbrecherjagd. „Kneißlerisch“ seien die Leute gestimmt, heißt es in einem Telegramm. Andere schweigen aus Angst vor Kneißls Rachedrohungen.
5.3.1901 Verhaftung in Geisenhofen
Erst als eine Cousine dem Münchner Sicherheitskommissar den entscheidenden Tipp gibt, kann Kneißl gefasst werden. Kneißl hält sich auf einem Anwesen in Geisenhofen nahe Maisach auf. Etwa 150 Schutzleute und Gendarmen werden dort zusammengezogen. Am 5. März beschießen sie den Stadel mit ca. 1.500 Schuss Munition und stürmen das Wohnhaus. 21 Schüsse werden auf Kneißl abgegeben, er selbst ist unbewaffnet. Schwerst verletzt wird er in der Chirurgischen Klinik in München notoperiert.
8.1901 Der Prozess
In der Klinik bekommt Kneißl viel Post und Blumen von Sympathisanten. Etwa fünf Monate dauert es, bis er sich von den schweren Verletzungen erholt. Dann wird er nach Augsburg überführt, denn hier findet der Prozess gegen ihn statt. Äußerungen des Staatsanwalts wie: „Kneißl muss aus der menschlichen Gesellschaft ausgemerzt werden“, beeinflussen die Geschworenen. Kneißls Beteuerungen, dass er die Gendarmen nicht töten wollte, glauben sie nicht. Sie verurteilen ihn zum Tode. Blass, aber gefasst vernimmt Kneißl das Urteil. Dieses ist von Anfang an umstritten, selbst beim Vorsitzenden Richter. Mehrere Gnadengesuche werden beim Prinzregenten eingereicht, doch dieser lehnt sie ab. Kneißls Mutter und andere sprechen von Justizmord.
21.2.1902 Kneißls Hinrichtung
Mathias Kneißls Hinrichtung wird auf Freitag, den 21.2.1902 um 7.00 Uhr festgesetzt. Er wird unter Ausschluss der Öffentlichkeit im Hinterhof des Augsburger Gefängnisses mit der Guillotine enthauptet. Therese Kneißl kauft seinen Leichnam für 60 Mark von der Anatomie frei, sie will ein ordentliches Begräbnis für ihren Sohn. Viele Schaulustige säumen den Weg zu seiner Beerdigung auf dem Augsburger Friedhof.
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